VerBINdung- vom Ich zum WIR
Heute ist das SchöpfungsTOR- ein Bündnis- zwischen den drei Zeitlinien.....
Die Luft ist klar, als ich den abgelegenen Ort erreiche. Ein Platz, den nicht viele kennen, verborgen abseits der Straßen, eingebettet in ein stilles Tal. Alles wirkt verwunschen und zugleich kraftvoll, wie ein Punkt, an dem sich die Welten berühren. Der Ort strahlt eine seltsame Ruhe aus – eine Ruhe, die fast unirdisch wirkt und mich sofort umhüllt.
Es ist keine Kapelle, kein Ort des Offensichtlichen. Aber dort steht sie: eine schlichte Frauenfigur, die Hände ausgebreitet, als wolle sie all den Schmerz und das Leid der Welt umarmen und heilen. Später erfahre ich, dass sie die Heilige Sara genannt wird. Eine Beschützerin der Heimatlosen, eine Begleiterin durch dunkle Nächte der Seele.
Und dann höre ich es: leise, wie ein Windhauch, schwebt ein Gesang durch die Luft. Ich folge dem Klang, bis ich sie sehe – eine Frau, gebeugt und doch aufrecht, klein und schmal. Ihr Alter lässt sich schwer schätzen. Um die sechzig vielleicht, doch ihr Blick – ihre Augen leuchten mit einer seltsamen Jugend, einer Lebendigkeit, die in ihrer ganzen Gestalt vibriert.
Sie steht vor der Figur, die Hände erhoben, und singt. Spanisch? Katalanisch? Ich weiß es nicht. Die Worte sind mir fremd, sie verschmelzen zu einem Strom, der an mir vorbeizufließen scheint. Doch irgendwie spüre ich die Bedeutung – sie spricht von Schmerz, von Verlust und von der tiefen Sehnsucht nach Heilung. Ihr Gesang geht unter die Haut, zieht an meinem Innersten, an einem Punkt tief in mir, den ich lange vergessen habe.
Als sie mich bemerkt, hält sie inne. Ihre Augen, so dunkel und tief wie ein stiller See, ruhen auf mir. Einen Moment lang blicke ich zurück, unfähig, den Blick abzuwenden. Und dann – sie lächelt. Ein zartes, fast schüchternes Lächeln, das dennoch so viel Kraft hat. Ich spüre, wie etwas in mir aufbricht, als hätte sie mit diesem Lächeln etwas Dunkles und Schweres in mir berührt.
Ohne zu wissen, warum, lächle ich zurück. Ganz sanft, fast zaghaft. Etwas Unaussprechliches geschieht. Eine Welle von Wärme fließt zwischen uns. Wir sprechen nicht, doch in diesem Moment verstehen wir uns tiefer als Worte es je könnten. Ihre Augen erzählen Geschichten von Leid, aber auch von einer tiefen, stillen Hoffnung. Sie erzählen von Heilung, die nicht durch Vergessen kommt, sondern durch das Annehmen dessen, was war.
Und plötzlich wird mir klar: Was immer sie singt, was immer sie betet – es ist auch mein Gebet. Es ist der Ausdruck all der stummen Schreie in mir, der Trauer, die keine Worte findet, und des Wunsches nach Versöhnung. Es ist, als hätte sie eine uralte Melodie berührt, die in uns beiden lebt. Wir verstehen uns nicht durch Worte. Es ist ein Verstehen von Seele zu Seele.
Ich möchte ihr etwas sagen, irgendein Wort, das ausdrückt, was ich fühle. Doch ich spüre, dass es nicht nötig ist. Stattdessen senke ich den Blick auf die Heilige Sara, auf die ausgebreiteten Hände der Statue, und eine seltsame Stille legt sich über mich. Es ist, als ob sie – diese alte, jugendliche Frau – ein Echo meiner selbst wäre. All die Verluste, all der Schmerz, den ich jemals gefühlt habe – er ist in ihr und in mir. Und in diesem Moment sind wir eins, zwei Menschen, zwei Seelen, die sich ohne Worte erkennen.
„Te veo“, flüstert sie schließlich. Ich sehe dich. Ich nicke langsam und antworte leise: „Ich sehe dich auch.“
Das ist es, denke ich. Genau das. Jenseits von Sprache und Herkunft, jenseits aller Unterschiede. Ein Sehen, das bis in den Kern des Seins reicht, bis dorthin, wo wir alle gleich sind. Ein Sehen, das sagt: Ich kenne deinen Schmerz. Und ich weiß, dass du ihn überleben wirst.
Langsam tritt sie zurück, als wolle sie sich verabschieden. Ich will etwas tun, etwas sagen, doch ist es nicht nötig. Mit einem letzten, stillen Lächeln dreht sie sich um und geht. Der Gesang bleibt in der Luft hängen, als Echo, das in den Felsen widerhallt. Und dann verstummt auch das.
Ich bleibe allein zurück. Doch da ist kein Gefühl der Leere, kein Gefühl des Abschieds. Nur eine tiefe, stille Verbundenheit, die bleibt. Ein Wissen, das mich durchdringt: Wir haben uns gesehen. Wirklich gesehen.
Und das ist genug. Du bist genug.
Ich sehe DICH.
ADUM